Komplett-Restauration – Ratgeber

Aus /8-KnowHow

Version vom 13:28, 25. Jan. 2012 bei Helmut 230.6 (Diskussion | Beiträge)
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1. Einleitung
Wenn der geliebte /8-er in die Jahre gekommen ist und sich an vielen sichtbaren und - schlimmer noch - auch unsichtbaren Stellen Rost oder gar Durchrostungen entwickelt haben und auch das ein oder andere Aggregat wie Motor, Getriebe, Antriebsstrang, Lenkung, Vorderachse/Hinterachse Getriebe etc. schwächelt, schafft man es in Deutschland höchstens bis zur nächsten HU.

Also stellen sich die Fragen:

  • Bis TÜV-Ende fahren (sofern noch fahrsicher) ?
  • Verkaufen/Verschrotten/Ausschlachten?
  • Sich einen „neuen“, gut erhaltenen /8-er zulegen? (Der kostet evtl. weniger als eine Komplettrestaurierung – wobei man vor Kauf ein klares Bild über seine Substanz gewinnen sollte).
  • Eine Komplettrestaurierung, damit das Auto substanziell für ein zweites Leben wiederhergestellt wird?


Im Folgenden wurden aus dem diesbezüglichen Thread und seinen Folgebeiträgen eine Zusammenfassung der vielen wertvollen Antworten erstellt, die dem, der vor solchen Fragen steht Rat und Entscheidungshilfen geben soll, damit er/sie nicht in eine Kosten/Zeit-Falle hineingerät, die, wenn es dann eh schon zu spät ist, zur Erkenntnis führt: „Aus Schaden wird man klug – aber auch viel ärmer“.

2. Beratung
Man sollte versuchen, die Entscheidung zur Komplettrestauration nicht nur aus (blinder) Liebe zu seinem Schätzchen zu fällen, sondern möglichst nüchterne Überlegungen nach sachlichen Kriterien anzustellen. Dies insbesondere dann, wenn man selbst keine Eignung/Neigung bzw. die erforderlichen technischen Mittel (Halle, Hebebühne, Werkstattausrüstung) zu tiefgreifenden Karosseriearbeiten hat und die Arbeiten an eine Werkstatt übertragen möchte.

Es wird daher dringend geraten, sich vor evtl. Auftragsvergabe mit einem /8-kundigen und möglichst neutralen Fachmann zu beraten, der das Auto hinsichtlich seiner Restaurationswürdigkeit bzw. –möglichkeit ohne die emotionale Komponente beurteilen kann. Er sollte ebenso bei der Auswahl der Werkstatt einbezogen werden.

3. Ermittlung der Fahrzeugsubstanz
Vor Auftragsvergabe sollte das Auto einer möglichst gründlichen Ermittlung seiner (Rest)Substanz unterzogen werden.
Und man sollte definieren, wie gut und wie original der Wagen hinsichtlich seiner äußeren und inneren Substanz wiederhergestellt werden soll.
Nur so hat man einigermaßen eine Chance, den technischen, zeitlichen und kostenmäßigen Aufwand der Restauration zu bewerten bzw. abzuschätzen.

Hierbei gilt die Erfahrung: Je schlechter der äußere Zustand des Fahrzeugs ist, desto sicherer ist auch der innere Zustand der Karosserie und des Fahrwerks schlecht. Und solche inneren Schadstellen kommen oft erst beim Auseinandernehmen des Autos zu Tage. Aber auch bei /8-ern „die eigentlich noch ganz gut aussehen“, können solche verdeckte Schadstellen bestehen.

Warnung:
Auch bei noch so guter vorheriger Begutachtung des Fahrzeugs werden erst im Zuge der Restauration Schäden aufgedeckt, die dann den erwarteten Kostenrahmen sprengen können.
Es wird bestimmt immer teurer als man anfangs dachte.

4.Auswahl der Werkstatt
Bei der Auswahl der Werkstatt sollten die folgenden Kriterien beachtet werden:

4.1 Qualifikation
Die Werkstatt muss einschlägige Erfahrungen aus vorherigen Komplettrestaurationen von Oldtimern haben. Es wäre sehr empfehlenswert, wenn sie sich mit /8ern aus eigener Erfahrung wirklich auskennt.
Die Werkstatt sollte abgeschlossene „Referenz“-Aufträge belegen können wie Fotodokumentation über den gesamten Restaurationsverlauf (Dokumentation der aufgedeckten Schadstellen, deren Reparatur(methode) und ihres Endzustandes). Dazu Aussagen über den zeitlichen Rahmen hinsichtlich gesamter kalendarischer Zeitdauer sowie des Arbeitsaufwandes Arbeitszeit; wenn’s geht auch noch Größenordnung deren Kosten. An wie viel verschiedenen Aufträgen arbeitet die Werkstatt gleichzeitig mit wie viel Personal? Arbeiten immer bestimmte Personen am Restaurationsobjekt (klare Verantwortung) oder wechselt das ständig?

Die Werkstatt sollte fähig und willens sein, den Restaurationsfortschritt vollständig und mit detaillierten Fotos zu dokumentieren. Dies kann später den Wert des restaurierten Autos mitbestimmen.

Die Werkstatt sollte einem den ein oder anderen Oldtimer-Halter zwecks eigener Befragung über dessen Erfahrungen mit ihr benennen können/wollen.
Mitarbeiter: Was machen die Mitarbeiter für einen Eindruck? Sind sie gelernte Facharbeiter? Sprache: Die für die Restaurierung verantwortliche Person(en) sollte(n) der deutschen Sprache mächtig sein, ansonsten besteht da eine gefährliche Quelle für echte und vorgetäuschte Missverständnisse über alles Mögliche.

4.2 Werkstatt-Technik
Die technischen Mittel der Werkstatt müssen auf Restaurationsarbeiten ausgelegt sein.
Also Schweißen sowieso, Verzinnen (statt Spachteln) , Teile aufarbeiten (Strahlen, Reparieren, Konservieren), Innenausstattung überarbeiten (Himmel, Teppiche, Verkleidungen, Sitze), Lackieren (ist der Lackierraum von der übrigen Werkstatt hinreichend separiert?). Hebebühne, Drehgestell Werkzeug (Spezialwerkzeug)
Die Werkstatt muss einen insgesamt ordentlichen und „aufgeräumten“ Eindruck machen. Wo/wie sind die ausgebauten Teile gelagert, ist das Werkzeug in ordentlichem Zustand und ordentlich untergebracht?

4.3 Preisermittlung und Auftragsvergabe
Im Zuge einer Komplettrestauration kann der Aufwand rasch in den fünfstelligen EURO-Bereich geraten.

Daher sollte man versuchen, mit der Werkstatt zu einem möglichst klaren Auftrags- bzw. Vertragsverhältnis zu kommen.
Dieses sollte in seinen wesentlichen Inhalten schriftlich fixiert sein. Das Restaurierungsziel hinsichtlich des gewünschten Wiederherstellungs-Zustandes sollte mit der Werkstatt (und natürlich auch für einen selbst) klar definiert sein.
Ansonsten kann es schon dadurch zu Missverständnissen, Frust, Streit und Zeit-/Kostenproblemen kommen.

Die Werkstatt sollte den Wagen vorab inspizieren und eine gründliche Bestandsaufnahme seines Zustandes im Einzelnen machen. Diese Erkenntnisse sollten zu einem schriftlichen Angebot führen, das die erforderlichen bzw. erwarteten Arbeitsblöcke, den Wiederherstellungsaufwand nach Arbeits- und Materialkosten sowie die kalenderzeitliche Dauer umfasst.

Damit hat man aber zunächst nur eine Abschätzung für die bekannten/erwarteten Arbeiten. Kostenfallen können z.B. bei einem Coupé sein: Wasserkasten, C-Säulen, Motorraumseitenwand-Oberkanten, Motorträger, Innenschweller und Innenraumboden, Spritleitungen (die rosten in der Mitte gerne durch), Federdome, Kofferraumboden, Ersatzradschale, Scheibenfalze vorne und hinten.

Auch eine noch so seriöse Werkstatt wird wahrscheinlich eine Vorbehaltsklausel für „Unvorhergesehenes“ bzw. „Kostenermittlung erst nach Zerlegung möglich“ vorsehen. Das Risiko zu erheblichen Kostensteigerungen ist somit latent gegeben.

Zum Thema Ersatzmaterialien und ihrer Kosten sollte mit der Werkstatt geklärt und vereinbart werden ob sie möglichst Mercedes Originalteile bzw. Reparatursätze verwenden soll oder ob Material aus anderen Quellen und Herstellern verwendet werden kann. (Wenn ja: welche und ggf. nach vorheriger Absprache Auftraggeber/Werkstatt).

Die Frage der Begleichung der Kosten sollte geregelt sein: Bezahlung in Teilsummen nach Arbeitsfortschritt oder eine Gesamtrechnung am Ende.

Die Vereinbarung eines Festpreises ist bei einer Komplettrestaurierung für beide Seiten kaum vernünftig.
Wenn sich die Werkstatt darauf einlässt, legt sie entweder einen riesigen (unbezahlbaren?) Sicherheitszuschlag drauf, oder sie „vereinfacht“ im Zuge der Restaurierung den Umfang und die Qualität ihrer Arbeiten, damit sie keinen wirtschaftlichen Schaden erleidet. Die mangelhafte Restauration bleibt dann an einem selbst hängen.

Es sollte mit einer seriösen und qualifizierten Werkstatt möglich sein, regelmäßige Termine vor Ort zwecks Überprüfung des Arbeitsfortschrittes und Abstimmung über die erforderliche, bzw. von einem selbst gewünschte Reparaturtiefe und Restaurierungsqualität zu vereinbaren.

4.4 Inland versus Ausland
Insbesondere im osteuropäischen Ausland führen niedrigere Arbeitskosten zur Überlegung, die Arbeit an eine dortige Werkstatt zu übergeben. So verlockend das sein mag, es sollte sehr kritisch betrachtet werden, den „billig“ ist nicht immer „preiswert“.

Wenn keine direkte Kommunikation auf Deutsch (bzw. einer gemeinsamen anderen Sprache) möglich ist, sollte man das Ganze gleich lassen. Erreicht man dort beim Telefonanruf überhaupt jemanden der einen versteht ?
Wo liegt die Werkstatt und wie gut und wie schnell (und teuer) kommt man dort hin?
Da eine Komplettrestauration zeitlich länger dauert und mit Sicherheit zwischendurch Überraschungen technischer oder anderer Art aufkommen, sollte man sie zwischendurch kurzfristig besuchen können. (Zeitaufwand, Reiseaufwand). Man hat nur eingeschränkte Möglichkeiten „zwischendurch“ mal reinzuschauen, müsste man vor Ort einen eigenen, mit der Materie wirklich vertrauten und vertrauenswürdigen Bekannten haben, der das übernimmt.

Wenn es im Ausland zu Rechtsstreitigkeiten wegen evtl. Minder- oder Fehlleistungen der Werkstatt kommt, hat man kaum eine Chance, sein Recht in absehbarer Zeit mit vertretbaren Kosten bzw. überhaupt zu bekommen.

Die eigene Auffassung und die einer osteuropäischen Werkstatt über Qualitätsarbeit kann gravierend auseinander liegen. Obwohl es auch in einigen Ex-Ostblock Ländern tlw. sehr geschickte Mechaniker gibt, die damals notgedrungen gelernt haben zu reparieren/improvisieren statt zu ersetzen, besteht doch die Gefahr kulturell bedingter Auffassungsunterschiede. So gelten alte Autos dort meist nicht als Sammler- oder Liebhaberstück, sondern eher als Gebrauchsgegenstand. Dies kann zu improvisierten „zeitwertgerechten“ Reparaturen führen, die nicht den Qualitätsstandard einer vollwertigen Restauration erreichen (z.B. gespachtelt statt verzinnt oder Blech „drübergebraten“).
(Allerdings soll damit nicht gesagt sein, dass einem derartiges in einer inländischen Werkstatt nicht auch passieren kann).


Erstellt von: Helmut 230.6 13:28, 25. Jan. 2012 (UTC)

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