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Hallo Besucher!
Ein W114 Coupe für US$1 im Supermarkt
geschrieben von: Meerkamp (IP-Adresse bekannt)
Datum: 18. November 2023 21:36

Hallo W114/W115 Liebhaber.
Ich möchte mich heute kurz vorstellen und die Geschichte meines 1970 250 Coupé erzählen. Das besondere an der Geschichte? Der Wagen hat mich den stolzen Preis von US$ 1 gekostet. Wie kam es dazu? Das ist eine klassische amerikanische und vielleicht auch eine Silicon Valley Story.

An einem Freitagabend vor etwa einem Jahr war ich in einem kleinen Supermarkt bei mir in der Nähe einkaufen. Der Ort heißt Woodside und liegt mitten im Silicon Valley ca. 40 Minuten südlich von San Francisco. Viele Tech Gründer und Investoren leben hier und gerade letzte Woche hat Woodside auch weltweit Berühmtheit erlangt, weil sich hier Präsident Xi aus China und Biden auf einem alten Landsitz getroffen haben.

An besagtem Freitag war ich mit meinem 1972er Series III Land Rover unterwegs, um ein paar Lebensmittel fürs Wochenende zu kaufen. Im Laden sprach mich dann jemand an, der mich in meinen Land Rover auf dem Parkplatz gesehen hatte. Er hatte wohl auch einen ähnlichen Land Rover aus den 70ern und wir haben uns eine Weile darüber ausgetauscht. Ein Wort gab das andere, und es stellte sich heraus, dass wir beide etwas verrückt auf Autos waren. Er hatte primär Range Rover Modelle, eine ganze Reihe von Motorrädern und unter anderem auch einen alten Mercedes. Neben meinem Land Rover bin ich auch stolzer Besitzer einer 71er Pagode W113. Wir haben natürlich Bilder ausgetauscht von meiner Pagode und seinem 250 Coupe. Nach einer Weile haben wir uns verabschiedet und mehr im Spaß habe ich gesagt, wenn er mal Interesse hätte den 250er loszuwerden, wäre ich interessiert ihn zu kaufen. Daraufhin hat er geantwortet, dass er ihn mir nicht verkaufen müsse, sondern ich ihn für einen Dollar haben könnte.

Er war wohl dabei sein Haus zu verkaufen und wollte seinen Fuhrpark verkleinern. Ihm ging es wohl primär darum ein „Neues Zuhause“ für seinen 250er zu finden. Der Mercedes stand seit zwei Jahren auf der Straße vor seinem Haus und war wegen COVID nicht bewegt worden. Natürlich dachte ich er meint es nicht ernst, aber wir haben Telefonnummern ausgetauscht und als ich zurück zu Hause war hatte ich schon eine SMS mit Bildern von dem Wagen und eine Einladung vorbeizuschauen. Am nächsten Morgen bin ich bei ihm vorbeigekommen und in der Tat stand er zu seinem Wort und wollte mir den Wagen schenken. Mein Onkel hatte in den 70ern das gleiche Modell in Deutschland in Weiß und ich kann mich noch gut an den eleganten Wagen erinnern. So konnte ich natürlich nicht Nein sagen. Er hat kurz einen handschriftlichen Vertrag aufgesetzt (stellte sich raus er war Rechtsanwalt für ein Tech Firma) und hat mir den Wagen für einen Dollar überlassen. Ohne Garantie/Wartung natürlich hat er noch gescherzt.

Der Wagen stand für zwei Jahre unter einem Baum während COVID und war nicht bewegt worden. Leider war auch keine Plane drüber und er war in ziemlich schlechtem Zustand. Aber er sah komplett aus. Es fehlten keine Teile und er zeigte keine Unfallspuren. Nur etwas Rost am Kofferraumdeckel. Aber es roch ziemlich muffig im Innenraum. Im Motorraum bei der Batterie hatte sich ein Eichhörnchen eingenistet. Der Luftfilter lag im Kofferraum, sodass die Vergaser offen waren und wir Exkremente wahrscheinlich von Ratten oder Eichhörnchen gefunden haben. Einige Kabel waren zerfressen. Später stellte sich dann raus, dass die Eichhörnchen auch im Innenraum tätig waren. Unter der Rücksitzbank und im Fahrersitz habe ich viele Eicheln und Nussschalen gefunden. Jede Menge Spinnweben und natürlich überall Blätter und anderer Dreck. Er hatte das Fenster einen Spalt aufgelassen zur Belüftung, aber das führte auch dazu, dass die Tiere und andere Verunreinigung in den Wagen reinkamen.

Ich habe dann den Wagen abschleppen lassen zu mir nach Hause und ein gesamtes Wochenende verbracht, eine Grundreinigung durchzuführen. Der Lack vom Wagen war so noch gut in Schuss bis auf das Dach. Da war der Decklack abgeblättert und nicht mehr zu retten. Seitdem habe ich viel viele Stunden und auch einiges Geld investiert, den Wagen wieder in einen akzeptablen Zustand zu versetzen. Die Bremsanlage musste komplett erneuert werden. Eine Scheibenbremse war ganz festgerostet. Aus Sicherheitsgründen haben wir die Benzinleitungen komplett erneuert. Zwei neue Vergaser eingebaut. Der Kühler wurde erneuert. Natürlich alle Filter und Flüssigkeiten gewechselt. Die Klimaanlage wurde überarbeitet. Der Bremskraft Verstärker. Neue Reifen, die Originalfelgen hatte der Vorbesitzer zum Glück noch in der Garage. Das Holz im Innenraum ist aufgearbeitet. Eine paar Chromteile um das Fenster herum sind neu verchromt. Die Türpanele sind aufgearbeitet und noch vieles mehr. Wahrscheinlich hätte ich den Wagen nicht angenommen, wenn ich gewusst hätte, was doch alles zu machen war. Aber es hat viel Spaß gemacht den Wagen wieder in Stand zu setzen und er ist jetzt mein Daily Driver. Primär weil er Klimaanlage hat, recht groß ist, sehr zuverlässig und mit dem 6 Zylinder auch im modernen Verkehr hier gut mitkommt.

Ich bin nur Hobbymechaniker habe aber (mit Eurer Hilfe) einige Arbeiten selbst machen können. Unter anderem das Vakuum System für die Rücklehnen Verriegelung (bin ich sehr stolz, dass ich das hinbekommen habe), den Mechanismus vom elektrischen Schiebedach überholt, und alle Gummis getauscht. Aus Deutschland habe ich von König das Original Becker Radio und eine elektrische Antenne gekauft. Ich hatte Glück in Zypern zwei europäische Scheinwerfer zu finden mit den gelben Nebelscheinwerfern. Gefallen mir besser als die amerikanischen Scheinwerfer. Die separaten gelben Nebelscheinwerfer habe ich in Spanien gefunden. Die Reflektoren der original Nebelscheinwerfer waren ziemlich verrostet. Die Nebelschlussleuchte ist ein Aris Modell. Da war der Reflektor auch durchgerostet. Auf eBay habe ich Ersatz gefunden und auch den korrekten Schalter für die Nebelschlussleuchte mit dem grünen Kontrolllämpchen. Bei einer Hupe war der Mechanismus festgerostet, aber Ersatz kam aus Indonesien. Neue Aufkleber aus der Türkei. Niemoeller, MBZClassic, Ebay und DHL sei Dank.

Das Dach habe ich in der original Tabak-Braun Farbe streichen lassen. Ich habe auch die Radkappen in der gleichen Farbe streichen lassen, obwohl original die Radkappen in Wagenfarbe lackiert waren. Aber ich finde den Kontrast sehr schön für ein zweifarbiges Auto. Der Wagen war wohl schon mal etwas restauriert worden. Der Lack ist nicht original und auch nicht 100% die richtige Mischung. Bei dieser ersten Restaurierung hat der Vorbesitzer auch leider die Lenksäule ruiniert, sodass wir auch eine neue Lenksäule finden mussten. Ich habe einen sehr guten Klassik Car Mechaniker, Burlingame Motors. Ein Schweizer der schon in der 2ten Generation primär Mercedes Klassiker restauriert und sogar Wagen seiner Kunden in Pebble Beach und bei der Villa D’Este ausgestellt hat. Jetzt funktioniert eigentlich alles wieder bis auf ein paar kleinere Schönheitssachen im Motorraum.

Glücklicherweise kam das Auto mit dem Originalheft und allen Unterlagen inklusive der Metall Datenkarte vom ersten Besitzer, einer älteren Dame in San Francisco. Per Google habe ich dann versucht sie ausfindig zu machen, aber sie wäre schon über 100 Jahre alt gewesen. Ich habe aber ihre Enkelin gefunden und angerufen. Sie konnte mir leider nicht sehr viel über den Wagen erzählen, außer dass sie sich erinnerte, dass ihre Großmutter immer sehr gerne schöne Autos gefahren hatte. Im Handschuhfach fand ich den Versicherungsnachweis des zweiten Besitzers. Ein Rechtsanwalt in San Rafael etwas nördlich von San Francisco. Den habe ich auch kontaktiert und der Sohn meldete sich und hat mir viel von dem Wagen erzählt. Es war wohl das Hauptauto von seinem Vater und er hat es für viele Jahre gefahren und gepflegt. Danach hat er es dann weiter verkauft an meinen Vorbesitzer hier in Woodside, der den Wagen dann für 6 Jahre hatte, bis er ihn an mich weitergegeben hat. Ich bin also der vierte Besitzer und der Wagen war immer im Umkreis von 50 Meilen von San Francisco. Dadurch hat er zum Glück wenig Rost.

Auf dem Tacho stehen 28.000 Meilen, aber ich nehme an das sind 128.000 Meilen. Also rund 200.000 km. Der Wagen ist jetzt in dem Zustand, dass ich ihn regelmäßig fahren kann. Er hat keine Concours Qualität, soll er aber auch nicht haben, so dass ich mich nicht aufrege, wenn mal ein kleiner Schnitzer oder Lackschaden beim Fahren entsteht. Meine beiden anderen Klassiker, der Land Rover und die 280SL Pagode sind auch Fahrzeuge, die ich regelmäßig bewege, außer bei Regen. Aber zum Glück ist das Wetter hier in Kalifornien fast das ganze Jahr schön. TUEV gibt es auch keinen und weil der Wagen von vor 1975 ist, muss er auch nicht den Smog Test machen.

Wenn ihr Fragen habt zum Fahrzeug meldet euch gerne. Ich verbringe einige Zeit hier auf dem Forum und bin immer wieder erstaunt, was für ein gesammeltes Wissen hier zur Verfügung steht. Es gab bisher keine Frage, die ihr nicht sachkundig beantworten konntet. Alle Achtung.

Vielen Dank fürs Lesen, ein schönes Wochenende und viel Spaß mit eurem Strich Achter.
Grüsse aus Kalifornien. Frank



1-mal bearbeitet. Zuletzt am 18.11.23 21:42.

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Re: Ein W114 Coupe für US$1 im Supermarkt
geschrieben von: T-Modell (IP-Adresse bekannt)
Datum: 19. November 2023 09:17

Hallo Frank,

was eine tolle Story! Klasse, daß Du sie hier erzählt hast. Glückwunsch auch zur tollen Arbeit, sowas wieder als daily driver herzurichten, schaut klasse aus!

Viel Spaß mit dem Wagen und beste Grüße über'n Teich
Thomas

Re: Ein W114 Coupe für US$1 im Supermarkt
geschrieben von: phiddel (IP-Adresse bekannt)
Datum: 19. November 2023 14:20

Moin Frank,

tolle Geschichte, schönes Auto!
Danke das Du Dir die Mühe gemacht hast alles aufzuschreiben!

Gruß Philipp

Historie: W114, W115, W123, W124, W202, W210, W211, W212 ... ich glaub ich bleib dabei zwinker

Re: Ein W114 Coupe für US$1 im Supermarkt
geschrieben von: joey ramone (IP-Adresse bekannt)
Datum: 23. November 2023 19:54

Mensch Frank!
Was ne Hammer Geschichte! Glückwunsch zu dem Wagen, der sieht doch richtig gut aus...
Finde die 2 tone Lackierung großartig, habe mir auch nach dem Kauf überlegt mein Dach in Tabakbraun zu machen. Dass du die Radkappen in Dachfarbe hast ist meines Wissens auch original so gewesen bei MB. Dazu noch Weisswand, so muss das sein!
Selten ist auch ein Schiebedach in den Staaten, das ist natürlich ein purer Genuss, da bin ich neidisch.
Und dein Hinweis auf das kalifornische Wetter zeigt mir mal wieder welchen Spaß man ganzjährig haben könnte mit unseren schönen Autos, wenn man nicht im pissigen Mitteleuropa leben würde...

Also, alles richtig gemacht!

Weiterhin entspanntes Cruisen in California wünscht dir

Joey



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