Datum: 29. Juni 2022 21:31
Moin Moin !
Zitat:Nein Volker, das teile ich so nicht, dass die Werte auf der Prüfstandsrolle irrelevant seien, ebenso wie Deine Auffassung, dass das unvollständige Tragbild eines neuen Belags auf einer tief riefigen Scheibe ohne Bedeutung für die Bremswirkung sei.
Beides ergibt sich imho erstmal aus angewandter Physik.
Physik 5 ?
Zitat:Die Physik sagt, dass Reibung unabhängig von der Fläche ist, und darauf bezieht sich Volker vielleicht?
Genau so ist es ! Ein unvollständiges Tragbild hat nur dann Auswirkung auf die Bremskraft, wenn gleichzeitig die tragende Fläche einen anderen Hebelweg hat, also z.B. Belag trägt nur auf der inneren Hälfte der Scheibe. Damit ergibt sich ein anderer wirksamer Durchmesser und Hebelweg. Blosse Riefen machen dagegen nichts aus. Bedingung ist natürlich , dass der Reibwert überall gleich ist. Bei einer riefigen Scheibe ist das der Fall , bei einer verrosteten nicht. Aber hier sollen die Scheiben ja optisch in Ordnung sein.
Zitat:Zitat:
Unsinn , die Höhe der Werte besagen erst mal rein gar nichts.
würde ich auch gerne erklärt habe
Gerne! Die Werte lassen auf einen Rollenprüfstand schliessen , die am meisten verwendete Variante eines Bremsenprüfstandes.
Wie funktioniert dieser?
Jedes Rad einer Achse eines Fzges fährt in den Prüfstand, von diesem sehen wir 4 Rollen , je 2 pro Rad , mit einem gewissen Abstand , damit das PKW-Rad zwischen den Rollen gut und sicher geführt wird. (es gibt sogar Prüfstände, bei denen kann der Rollenabstand variiert werden , z.B. Umschaltung von PKW auf LKW Durchmesser).
Wer genau hinsieht, erkennt noch eine sehr viel kleinere Rolle zwischen den beiden grossen, diese heisst Tastrolle. Diese Tastrolle ist federnd angebracht, befindet sich jetzt ein Rad zwischen den Rollen , wird sie heruntergedrückt und schaltet den Prüfmodus ein. Durch kräftige E-Motore links und rechts werden jetzt die Rollen angetrieben, das PKW-Rad dreht sich logischerweise mit. Üblicherweise sind die beiden Rollen mit Ketten verbunden und werden beide von einem drehbar gelagertem Motor angetrieben. Damit sich nun die Rollen drehen und nicht der Motor, hat dieser einen Ausleger als Momentenstütze. Am Ende des Auslegers stützt sich dieser auf einer Halterung ab, die die eingeleitete Kraft zur Anzeige weiterleitet , früher geschah das hydraulisch mittels Bremsflüssigkeit oder Frostschutzmittel , heute elektrisch meist mit Dehnungsmessstreifen. Diese Halterung ist verstellbar, damit kann der BPS geeicht werden.
Es wird also das aufgebrachte Drehmoment des Antriebsmotors als Mass der Bremskraft gemessen. Je kräftiger das Bremspedal gedrückt wird, desto höher die Bremskraft , desto schwerer drehen sich die Rollen , desto mehr muss der Antriebsmotor "schuften" , desto kräftiger muss er sich mittels des Auslegers abstützen.
nun kommt irgendwann der Punkt, wo dermassen kräftig auf das Bremspedal gedrückt wird, dass die Reifen beginnen , auf der Rolle zu gleiten , d.h. es stellt sich zunehmender Schlupf ein.
jetzt kommt wieder die Tastrolle ins Spiel , diese wird ja während des gesamten Vorgangs von unten gegen den Reifen gedrückt und rotiert aufgrund ihres viel kleineren Durchmessers entsprechend schneller mit. Diese Tastrolle ist mit einem Fühler ausgestattet, der ihre Drehzahl erkennt , und wenn diese Drehzahl etwa um 30% hinter der Leerlaufdrehzahl zurückbleibt ( = 30%iger Schlupf der Reifen) , schaltet sie den Prüfstand ab.
Ein Elektroventil in der hydraulischen Leitung zur Anzeige schliesst sich , die Anzeige bleibt stehen , bis nach ein paar Sekunden der Prüfstand wieder anläuft. Bei modernen Prüfständen sorgt die Elektronik für die Speicherung der Anzeige.
Was bedeutet das physikalisch ? Nun , überhaupt nichts anderes, als das wir die Radlast ermittelt haben ! Mit bekanntem Reibwert des PKW-Rades auf der Rolle lässt sich diese jetzt einfach berechnen. Es gilt schliesslich F= mü mal N. ( Kraft gleich Reibbeiwert mal Normalkraft , d.h. Radlast) Solange das Rad nicht blockiert, ist der Haftbeiwert anzunehmen.
Nur ist das gar nicht das , was wir haben wollen! Wir wollen wissen , ob die Bremse richtig arbeitet !
Nun, dafür gibt es gesetzliche Vorgaben. Je nach EZ und Fzg-Typ muss eine bestimmte Mindestbremskraft erzielt werden , bei älteren PKW 50 % vom zGG.
Ausserdem darf zwischen links und rechts an einer Achse die Bremskraft nicht mehr als 25 % vom höheren Wert abweichen. ( für Scheibenbremsen ein Witz ! )
Für Servobremsen dagegen durchaus schwierig zu schaffen ! Und , eine Servobremse ist keine Bremse mit Bremskraftverstärker , wie er heute üblich ist, sondern [
www.at-rs.de]
Hier wirken sich geringe Reibkraftunterschiede erheblich aus. Haben wir an der VA bei Ponton und ganz frühen Flossen.
Nun zum anderen Wert, den hier mal geltenden 50 % des zGG. Wenn man bedenkt, dass bei trockenem wetter der Reibbeiwert zwischen Prüfstandrolle und Reifen ca. 0,6 beträgt, dann könnte man denken , Kein Problem , die Summe der Bremskräfte bei intakter Bremse beträgt dann ja ca. 60 % vom zGG. Stimmt , aber eben nur , wenn das Fzg auch voll beladen ist. Üblicherweise jedoch kommt das Fzg leer , hat damit geringere Radlasten und demzufolge blockiert das Rad früher bei geringeren Bremskräften , deren Summe dann meinetwegen bei 43 % liegen. Mehr als blockieren (bzw. 30 % Schlupf erzeugen) kann die beste Bremse nicht. Auch gibt es Fzge , die an der Hinterachse , um eine weitere gesetzliche Forderung zu erfüllen , nämlich dass immer zuerst die VA blockieren muss) ein Ventil verbaut haben , dass einfach bei einem bestimmten Bremsflüssigkeitsdruck die Leitung nach hinten verschliesst und so die Bremskraft einfach auf einen Maximalwert begrenzt. Dieses Ventil kann starr sein (Bremsdruckbegrenzer) oder lastabhängig (ALB = automatisch lastabhängiges Bremsventil). Haben wir im /8 nicht, aber in frühen 108ern findet sich das starre Begrenzerventil hinten rechts unter dem Fzg-Boden.
Später hat man das Ventil weggelassen und stattdessen den Kolbendurchmesser der Bremszangen hinten verkleinert.
Tja , und warum ist nun die Bremse vorne immer grösser und stärker als man den Radlasten nach vermuten sollte, ich habe doch behauptet, dass die möglichen Bremskräfte nichts anderes sind als die tatsächliche Achslast ( mal einer Konstanten)?
ganz einfach , die Radlast ist nicht konstant , sondern verlagert sich beim Bremsen auf die VA, je mehr gebremst wird , desto stärker. Das Ausmass der verlagerung hängt natürlich ausserdem vom Radstand und der Lage des Schwerpunktes ab. Kann man an modernen Motorrädern erkennen , da ist es kein Problem , mit der vorderen Bremse das Hinterrad in der Luft zu halten.
Diese dynamische Achslastverlagerung können wir aber auf dem Rollenprüfstand nicht nachvollziehen! Daher ist es jetzt Aufgabe des Prüfers, anhand seiner Erfahrung zu entscheiden , ob die Bremse tatsächlich zu schwach bremst oder nur der erforderliche Anpressdruck auf die Prüfstandsrollen nicht ausreicht.
es gibt auch Plattenpüfstände , diese haben neben vielen Nachteilen auch ein paar Vorteile , sie sind wesentlich billiger, einfacher einzubauen und vor allem: Sie haben nicht das Problem der dynamischen Achslastverlagerung!
Sie bestehen aus 2 Platten , die längsverschieblich auf dem Boden befestigt sind, die Längsverschiebung gegen eine starke Feder wird wieder mit Dehnmessstreifen elektrisch in ein Signal zur Anzeige umgewandelt.
Hier wird auf die Platten gefahren und auf diesen mit jeder Achse gebremst.
Aufgrund der dynamischen Achslastverlagerung lassen sich an der VA deutlich höhere Werte erzielen als auf dem Rollenprüfstand, hinten sind sie dagegen meist kleiner. Aber selbst mit leeren Fzgen kommt man hier auf Abbremsungen von teils über 100 % .
Nun ist es auch dem Gesetzgeber klar geworden , dass man für die Bremsen mittlerweile andere Vorgaben braucht als in den 50er Jahren.
Auch sollte die Abhängigkeit von den äusseren Umständen (nasse Reifen , glatte Rollen , Erfahrung des Prüfers) abgemildert oder idealerweise abgeschafft werden. ( In der Schweiz müssen seit ewigen Zeiten Nutzfzge immer vollbeladen zur Bremsenprüfung kommen).
Bei Fzgen mit Druckluftbremsen wird deshalb auch bei uns schon lange die jeweilige Bremskraft in Abhängigkeit des eingesteuerten Luftdruckes gemessen und demnach die Bremse beurteilt.
Nun können das moderne PKW auch! Zumindesten fast alle, die mit ESP (=Einspritzpumpe) ausgerüstet sind. Diese haben Drucksensoren in den jeweiligen Bremskreisen , der gerade herrschende Flüssigkeitsdruck wird an ein Steuergerät weitergeleitet und dieses informiert die OBD-Steckdose , an der mit einem entsprechenden Adapter der Druck ausgelesen werden kann.
Bei der HU muss der sogenannte HU-Adapter zwangsläufig bei diesen Fzgen verwendet werden , ausserdem sind nur noch Bremsenprüfstände zulässig , die die Werte unmittelbar auf das Laptop des Prüfers übertragen. Es werden also zeitgleich die jeweiligen Bremskräfte wie auch die dazugehörigen Flüssigkeitsdrücke elektronisch übertragen und mit den für jedes Fzg hinterlegten Sollwerten verglichen. Das Verfahren nennt sich Bezugskraftmessung und eliminiert nasse Reifen und sonstige Dinge , durch den Vergleich mit Sollwerten werden z.B. Bremsbeläge mit ungenügendem Reibwert ebenso erkannt wie eine Überbremsende oder zu schwach bremsende Achse.
wundert euch also nicht , wenn bei der nächsten HU der Prüfer mit einem smartphone ins Auto steigt und dieses bedient, er schreibt keine sms an seine Freundin , sondern bedient damit den BPS. Denn auch bei alten Fzge ohne ESP (=Einspritzpumpe) wie den /8 überträgt der BPS die Bremskräfte elektronisch , nur fehlen eben die Bremsdrücke.
So , ich hoffe , zur Aufklärung beigetragen zu haben!
MfG Volker